W E I S T Ü M E R
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Teil 1: Das Bankhaus Habakuck


Ersterwähnung von Prendergast / Die Samtfalle 1974 – 1981 Berlin / Alte Stadt am Main wo oft Zeiten voller Not und Mühen einkehrten.

 

Der an anderen Orten bereits erwähnte Hans B. lebte damals – 1974 – in Berlin Tiergarten. Ich fühlte mich ihm verpflichtet – warum weiß ich nicht mehr - und traf ihn deshalb ab und an zum Biertrinken.

Einmal fragte er mich, ob mir "Habakuck" ein Begriff sei. Ich verneinte vorsichtig, verschwieg aber daß ich sehr wohl einen Habakuck kannte, nämlich den gleichnamigen Zwerg der zur Entourage von Jeremias Schrumpelhut gehörte.

 

In den 60er Jahren sendete der Bayrische Rundfunk immer Donnerstags um 16:00 ein Abenteuer von Herrn Schrumpelhut, der in einer Phantasiewelt lebte wo es auch den Zwergenkönig Eierbatz gab, dazu ihm untertänige weitere Zwerge (Thaddäus; Huckepack, Habakuck) Diese Sendungen waren für mich lange Pflichtveranstaltungen, ich ließ zwanghaft alles andere dafür sausen.

 

Hans begann eine Theorie vorzutragen nach der es eine Verbindung gäbe zwischen dem Trödler Habakuck in der Beußelstraße, (dort hatte er zu überteuerten Preisen eine scheußliche Schreibtisch/Schrankgarnitur gekauft). Eine Verbindung mit wem oder was, wozu oder wohin – davon wollte er im Moment nicht reden. Um etwas beizutragen – die Situation war - wie immer wenn man Hans traf melassenartig - teilte ich ihm mit, mir sei ein in Kreuzberg gelegenes Lokal namens Habakucks Gartenlaube bekannt. Diese Mitteilung quittiert er mit einem nachdenklichen Blick. Er war einen Moment still, fragte darauf ob ich Prendergast kenne. Das verneinte ich. Ich raffte mich auf und insistierte nun auf Klärung, Habakuck betreffend. Hans sagte er habe im Keller seiner Münchner Wohnung einen Koffer voller Papiere gefunden, welche einem Bankhaus Habakuck gehörten.

Nun begann er heftig und undeutlich zu murmeln. Ich hörte mir das einige Zeit an. Ihn unterbrechend fragte ich was das (das Murmeln) solle. Er entschuldigte sich und erklärte mir er würde gerade ein Experiment mit subliminaler Beeinflussung durchführen.

Wir verloren wir uns aus den Augen. Er verzog mit seiner Frau (die mit dem Sodlaach) nach Bamberg.

Das Wort Prendergast blieb in meinem Gedächtnis. Anläßlich eines Besuches in der alten Stadt am Main traf ich auf meinen Freund, den bereits an anderer Stelle erwähnten Max P. Ich erzählte ihm von Hans B., vom Bankhaus Habakuck, von Prendergast.

Ich erfuhr daß Hans B. in Kulmbach bereits einschlägig aufgetreten war mit dem Bankhaus Habakuck, mit Prendergast, und – was ich noch nicht kannte - mit imaginierten Richtmikrophonen und den Nachstellungen der "Pauligruppe". Peter 'Pauli ' Neumann war zu dieser Zeit so etwas wie ein Behelfsguru der Jugend Kulmbachs, ein warmherziges Muster an Hilf- und Harmlosigkeit.

Wir zechten etwas und einigten uns in beschwingter Laune, daß Prendergast wohl eine Verballhornung von "Brennender Gast" sein müsse (im Oberfränkischen gibt es keinen Unterschied zwischen B und P oder zwischen T und D!), wobei dieser Ausdruck wiederum auf einem Mißverständnis beruhen müsse. Und zwar auf einer Verwechslung mit dem steinernen Gast aus der Oper Don Giovanni.

Es vergingen Jahre, das Wort Prendergast war zu einem ein beliebtes Stichwort geworden, diente oft als Kondensationskern für lange feinsinnige Gespräche.

Im Februar 1981 besuchte ich meine Eltern. Ich selber besaß damals keinen Fernsehapparat und nutzte daher die Besuche um den Kontakt mit diesem Mediums nicht zu verlieren. Im Kulmbacher Bahnhofslokal hatte ich einige Glas Bier getrunken, und weil nicht alle dem direkten Abhelfen meines Durstes gedient hatten befand ich mich in beschwingter Stimmung.

Im verdunkelten Wohnzimmer meiner Eltern saß ich dann und sah dem Flimmern und sah den bunten Bildern zu. Vorher hatte ich mir noch ein weiteres Bier aus dem Keller geholt.

Anfänglich bekam ich von dem Dargebotenen nicht viel mit. Aus der Fernsehzeitschrift jedoch konnte ich entnehmen, daß der Sender Bayern III hieß, und es sich bei der aktuellen Sendung um eine Serie innerhalb einer Serie handelte. Die 'Hüllserie' hieß "Damals Tagesgespräch"; die Serie in der Serie "Tatort". Es wurde also eine alte Tatortfolge wiederholt, und wenn ich meinen Notizen traue hieß die Folge "Die Samtfalle" den ermittelnden Inspektor stellte ein gewisser Fritz Eckhardt dar. Der – nebenbei bemerkt – auch das Drehbuch verfaßt haben soll.

Ich saß also da, mein Verständnis war getrübt, ich holte ein weiteres Bier. (Was mir ein Stirnrunzeln meiner Mutter eintrug.)

Plötzlich werde ich wach. Auf dem Bildschirm erscheint Sieghardt "So und nicht anders müssen Männer sein" Rupp. Er ist Zollfahnder (laut Drehbuch), heißt Kressin und man kennt ihn aus einem anderen Tatort. Er versucht einen Homme fatal darzustellen, ob ihm dies gelungen ist kann ich nicht sagen. Er ist vom Dienst suspendiert (in der Handlung) - wegen Weibergeschichten. Und ... gerade macht er sich an die Witwe eines Ermordeten heran. Das läßt mich staunen, diese deutsche Treue zum Charakter, dieses luthersche hier-steh-ich-ich-kann-nicht-anders.

Mein Staunen nimmt zu als nun Heinz Reincke auftritt und die Charakterstudie eines homophilen Morphinisten hinlegt, der im Zivilberuf Friseur ist. Wie der das vorstellt, die Qualen des Entzugs, die himmlischen Freuden, wenn der Stoff in den Blutkreislauf einschießt, das ist ergreifend und einzigartig. Sicherlich ist es auch eine ernste Mahnung an junge unentschlossenen Menschen den Griff zu diesen Eintrittskarten in die künstlichen Paradiese zu unterlassen.

 

Jahrzehnte später anläßlich eines Besuches der Tate Britain in London sehe ich das Bild "The Death of Thomas Chatterton". Lese die Erläuterungen zu diesem Bild und mir fällt mir ein daß es ein Theaterstück gibt von Hans Henny Jahnn mit dem Titel "Thomas Chatterton". Begreife daß ich die ganzen Jahre seit ich mit dem Werk von Jahnn vertraut bin einem eigenen Irrtum aufgesessen bin, weil ich im Geiste zwei seiner Stücke nämlich 'Thomas Chatterton' und 'Pastor Ephraim Magnus' in eins gedacht hatte. Also ich glaubte an ein Stück "Pastor Thomas Chatterton". Wie man das heute so macht kontrollierte ich nach Rückkunft sofort das Internet. Und erfahre, daß Hans Henny Jahnns Tragödie "Thomas Chatterton", am 26. April 1956 im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg, unter der Regie von Gustaf Gründgens uraufgeführt worden ist, mit Heinz Reincke in der Titelrolle. Welch ein Weg – Jahnn, Poet Maudit hin zum perversen Friseur!

 

Chatterton Reincke

 

Worum es ist dem Fernsehfilm geht habe ich bisher nicht mitgekriegt, vielleicht hat es bisher noch keine Handlung gegeben. Ich lag mit dem Oberkörper auf dem Tisch und trank Bier.

Doch jetzt werde ich richtig wach. Denn Sieghardt Rupp, alias Zollfahnder Kressin besucht einen Herren mit welchem Fritz Eckhardt einige Szenen vorher gefrühstückt hat. Sieghardt und dieser Herr streiten, worüber ist mir nicht klar. Nun hantieren sie mit Waffen. Ich bin jetzt zwar hellwach (na ja), begreife aber immer noch nichts. Doch jetzt kommt es Schlag auf Schlag, eine Enthüllung jagt die andere und ich kann gerade noch zu "The Complete Works of Lewis Carrol" >London Nonesuch Press 11. Auflage 1973< greifen, etwas anderes ist nicht zur Hand und mir Notizen machen.

Im Folgenden gebe ich die Notizen wieder, die, ziehe ich meinen erinnerten angeweichten Zustand in Betracht, einen recht sauberen Eindruck machen.

 

TATORT | Die Samtfalle Es spielt mit Sieghard Rupp aus einem anderen Tatort

Prendergast alias Krämer Kressin macht auch in alias || Pren. klaut 80 t Uran || P. = das vermeintliche Opfer Krämer tötet Prendergast u. wird. P. "Prendergast war ein Zufall" Ich kann nicht mehr denken" Angeblicher Tod; Waren Cousins

 

Der Herr, der mit Fritz Eckardt gefrühstückt hat, bedroht nun Sieghardt Rupp mit einer Pistole, er scheint Prendergast zu heißen . Sieghardt Rupp jedoch weiß es besser, tatsächlich heißt er nämlich Krämer. Krämer und Prendergast waren Cousins, bis jetzt scheint der Zuschauer gezwungen gewesen zu sein, von der dramaturgischen Logik her, anzunehmen Krämer sei getötet worden. Jedoch hat Krämer Prendergast getötet und tut nun so, als ob er dieser sei. Ich kann aber nicht garantieren, ob es vielleicht nicht anders rum war.

Und warum ist Prendergast getötet worden, nun ganz einfach – er wollte nicht zulassen, daß Krämer 80 t Uranerz in die CSSR verschiebt. Nun wird klar wozu Zollfahnder - wenn auch momentan vom Dienst suspendiert - Kressin alias Sieghard Rupp gebraucht wird. Krämer sagt nun, mit der Pistole auf Herrn Rupp weisend, er müsse noch einen Anruf abwarten, dann wolle er Herrn Rupp totschießen. Rupp lächelt überlegen als er dies hört.

Krämer sagt nun einige brauchbare Sätze auf:

 

"Prendergast war ein Zufall"

 

und

 

"Ich kann nicht mehr denken".

 

Jetzt schleicht Herr Eckhardt ins Bild und bedroht nun seinerseits den Krämer mit einer Pistole, welche allerdings - der Zuschauer erfährt es hinterher- ungeladen ist. Herr Rupp nutzt die Verwirrung aus und schlägt den Krämer auf den Unterarm. Nun klärt sich noch mehr auf. Rupp ist in Wirklichkeit gar nicht vom Dienst suspendiert, nein, das war nur vorgetäuscht um den Schlichen von Krämer auf die Spur zu kommen, er hat sich auch auf dienstlichen Befehl an die Witwe von Krämer (!?) ranschmeißen müssen. Der Film war damit zu Ende.

Viel später bei der ersten Niederschrift dieses Geschehens begriff ich die Pikanterie des ganzen. Die Frau war ja gar keine Witwe!

Mitzuteilen bleibt noch folgendes: als ich einem anderen Bekannten meine Theorie bezüglich "Prendergast" mitteilte, daß dieser meiner Meinung nach der von Hans B. Erwähnte sein müsse, erzählte dieser es habe in der Fernsehserie "Mit Schirm, Charme und Melone" einen schattenhaften Oberschurken gegeben, der jedoch nie als Person aufgetreten sei. Dieser Schurke hieß ebenfalls Prendergast und war der große Gegenspieler von John Steed und Emma Peel. Herr Axel Witte wußte daß es einen amerikanischen Aquarellisten Maurice Prendergast gegeben habe.

Sieghardt Rupp

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