W E I S T Ü M E R
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Der Ninja und die russischen Weiber

 

„Die russischen Weiber waren schrecklich, sie haben sich zu fünft oder zu sechst einen deutschen Soldaten gefangen, ihn ohne Gnade vergewaltigt und dann, wenn er nicht mehr konnte mit dem Schniedel an die Scheunentür genagelt!“


Diese kleine Geschichte, seine zweitliebste, erzählte mein Kollege Wolfgang gerne in den langen Pausen die der Gerüstbau erzwingt. Er hatte sie von seinem Vater übernommen, der rechnerisch gesehen eigentlich nicht am zweiten Weltkrieg hatte teilnehmen können.

Einer der Lieblingsfilme der Gerüstbauer damals in den 80er Jahren war „Southern Comfort“ von Walter Hill. Dieser Film handelt die Abenteuer eines Grüppchens Nationalgardisten ab das bei einer Übung in Louisiana sich mit den einheimischen Cajuns anlegt. Für meine Kollegen war klar daß die Geschichte in Vietnam stattfindet, daß Vietnam und die Vietnamesen so aussehen wie Louisiane und die Cajuns. Man sieht daß Krieg ein bewährter Betriebsstoff der Fantasie ist.

 

Wölfi, der an anderen Orten bereits erwähnte Ralfi St. und ich waren direkt nach meinem Eintritt in das Gewerbe eine Zeitlang eine Kolonne gewesen.

Wölfi wurde auch Ninja genannt wegen seiner Neigung zu asiatischen Kampf-sportarten und überhaupt zu dem damit verknüpften Denken.

Um den Beitritt herum wechselte Wölfi ins Büro. Dazu hatte er den Führerschein gemacht und erhielt einen VW Golf als Dienstwagen. Ich dagegen entwickelte die Berufskrankheit der Automechaniker – das Frozen-Shoulder-Syndrom und schied deshalb – einstweilen - aus dem Gerüstbau aus.

>>  zur Jahrtausendwende.

Als ich den Ninja nach beinahe einem Jahrzehnt wiedersah wußte ich nicht was mich erwartete.

Wölfi war in der Zwischenzeit - weil der Betrieb durch quasikriminelles Handeln des schönen Klausi Pleite gegangen war - als Sidekick von Börnie in einer Einrichtung der Handwerkskammer Berlin - dem BIZWA (Bildungs und Innovationszentrum Wandlitz) tätig, es ging darum die Lehrausbildung Gerüstbau anzuschieben.

Börnie hatte sich, wie an anderer Stelle berichtet wird, umorientiert (in seinem Verlangen nach intimer Nähe) und zog in diesem Zusammenhang nach Baden-Würtenberg. Daher war nun der Ninja der Ausbildungsleiter geworden.

Aus der Restmasse des Personals unseres ehemaligen Betriebs gab es im Bizwa noch zwei aus Spandau stammende Gerüstbauer. Wölfi empfand was die Zuverlässigkeit beider betraf eine gewisse Bangigkeit die ans Mißtrauen grenzte. Beschäftigungsmäßig konnte er die beiden nicht abtun und erinnerte sich deshalb an mich.

Ob ich als Honorarkraft ihm bei der Lehrausbildung zur Hand gehen könne, Entlohnung sei reichlich. Weil ich gerade nichts zu tun hatte sagte ich zu und Wölfi sagte er werde mich am nächsten Morgen mit dem Wagen abholen um mit mir zum Bizwa zu fahren.

Da stehe ich also morgens am Straßenrand – die Ninjas sind praktisch Nachbarn von uns und warte. Zu meiner Verblüffung fährt er in einem japanischen Sportwagen vor.

Es ist ein Toyota Prelude. Wolfgang sagt auch Prelude. So wie Vorzuhälter spricht er es aus.

Prelude. Prelude wie in Preludin.

Warum es ein Prelude sein muß weiß er nicht, lieber würde er einen Mercedes CLK (?) fahren und später (wir fahren 4 Jahre zusammen, beinahe jeden Tag nach Wandlitz und wieder zurück) kauft er auf Geheiß seiner Ehefrau der er mehr als hohen Respekt entgegenbringt einen geländegängigen Mercedes, so einen beräderten kubischen Kasten. Wozu und warum weiß er auch nicht. Aber er kann viel darüber sprechen, über dieses Auto, über andere Autos, welche man haben will, warum man diese nicht hat, wie man sie finanzieren könnte, wie schnell man mit diesen von A nach B fahren könnte, wobei er aber nicht weiß was es in B zu wollen gibt.

Später zerstreite ich mich mit ihm über Honorarhöhen beim Einsatz außerhalb der Lehrausbildung. Außerdem erhalte ich auch noch Hausverbot bei der Handwerkskammer weil ich ein kritisches Papier zur Lehrausbildung auf dem handwerkskammereigenen Fotokopierer kopiert habe.

>> Sommer 2010.

Ralfi hat es endlich geschafft, hat sich auf dem Kurfürstendamm unter Einsatz von grobem Eigenverschulden mit dem Motorrad totgefahren. Bei der Trauerfeier im Hochsommer – einige Gäste erscheinen in Sandalen, kurzen Hosen und Unterhemden, Born to be wild erklingt, sein Helm liegt auf dem Sarg, allgemein herrscht gute Stimmung, man stimmt überein, typisch Ralfi, das habe er gut hingekriegt - treffe ich wieder auf Wolfgang.

Er steht in der Sonne und raucht. Rauchen ist seine große Leidenschaft. Ich spreche ihn darauf an und erfahre daß er eigentlich gerade aus dem Krankenhaus kommt wo er mit einem kollabierten Lungenflügel eingelegen hatte. Die Zigarette schmecke ihm sagt er und fügt was Höhnisches bei die Ärzte betreffend, die ihm auferlegt haben mit dem Rauchen aufzuhören. Nun ist Rauchen ohne Zweifel eine abscheuliche Unsitte, aber Wolfgangs Nibelungentreue zum Nikotin ist unerschütterlich und bewundernswert.

Das Fundament dafür legte sich schon früh. Es war das Größte was er in seinem Leben je erlebt hatte. Es war seine Lieblingsgeschichte die er gerne und oft mit Begeisterung erzählte, seine Augen funkelten dabei wie Funkenflug bei einem ordentlichen Großbrand.

 

„...da waren wir noch kleine Piepl, und die Polizisten waren noch richtige Kerle, und da haben wir mit den Kinderzigaretten, die wenn man reinpustet vorne Staub, so wie Rauch rauskommt... wir haben noch mit Filzstiften einen roten Ring wie Glut rangemalt und sind dann solange vor den Polizisten auf und abgelaufen bis wir eine ordentliche Backpfeife eingefangen haben....“

 

Das waren Polizisten die noch Männer waren, denen Einsatz und Pflicht keine leeren Worte waren, wie, fragt man sich, wäre wohl der Zusammenstoß zwischen ihnen und den Russenweibern ausgegangen?

 

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