W E I S T Ü M E R
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Eine Wiederkehr (?)

 

Ein Auftrag der TÜV Rheinland Akademie – Befähigte Person im Gerüstbau - führt mich in das Klärwerk Waßmannsdorf. Das gehört zu den Berliner Wasserbetrieben und liegt in der Gegend des Flughafens Schönefeld, irgendwo im Abseits.

Es ist eine seltsame Gegend da draußen, seltsam verwundene Straßen, die undurchsichtig Haken schlagen, einmünden, ausmünden, um dann zwecklos zu enden. Unerklärliche Ansammlungen von Gebäuden inmitten freier Flächen. Felder, Wiesen, in der Ferne die Rückseite von Berlin, die Skyline der Banlieue von Neukölln.

Ein Bus bringt mich vom Bahnhof Flughafen auf unklarer Route zur Klärwerkstraße. Der gut gelaunte Pförtner scheint mich zu kennen, ich bin zum ersten Mal hier, habe den Mann sicherlich noch nie gesehen. Er sagt 'Herr Münch', winkt mich durch. Kein Ausweis notwendig, kein Eintrag in Listen, keine Unterschrift erforderlich. Wahrscheinlich kommen hierher so gut wie nie Fremde.

Das Hauptgebäude – etwa 80 m lang - ragt monumental auf, mutet modernistisch an, deutlich überdimensioniert, rätselhaft. Im Erdgeschoß des Gebäudes gibt es eine Art Durchgang, so breit wie die halbe Gebäudelänge, etwa vier Meter hoch.

Hinter dieser Öffnung eine trogartige Mulde, begrenzt von rasenbewachsenen Dämmen. Diese Mulde ist so breit wie das Gebäude, die Sohle so breit wie die Öffnung, und etwa 200 m lang. Vor dem Gebäude, getrennt durch eine Wiese, ein natürlich wirkender Teich, der allerdings künstlich angelegt ist.

Vom Gebäude aus, von höheren Etagen sieht man daß sich an die erwähnte Mulde eine zweite anschließt, genauso breit, aber erheblich länger.

Ich erfahre von den Teilnehmern der Weiterbildung das Klärwerk Waßmannsdorf sei nach der Wende in die Hände amerikanischer Investoren gefallen. Die häten Geld im Überfluß in die Anlage investiert und dieser Vorgang habe sich außerhalb der Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe abgespielt, sei jetzt aber im August 2013 beendet worden. Das überdimensionierte Verwaltungsgebäude sei Teil der Investition gewesen. Was der Grund dafür war ist unbekannt.

Im Internet finde ich dazu das:

DIL-Fonds-Nr.: 147

Initiator: Deutsche Immobilien Leasing GmbH (Deutsche Bank)

Gesellschaft: Objekt Kläranlage Waßmannsdorf

Einkunftsart: Gewerbebetrieb (§ 15 EStG)

Wertpapierkennnummer WKN:019817 

Emmissionsjahr:1997 

Beteiligungsdauer: bis 2013 

Mindestbeteiligung: EUR 25.564,59 

Investition: EUR 691.650.182,55 

Nominales Eigenkapital: EUR 342.575.786,24 

Fremdkapital: EUR 349.074.396,31 

Basisrendite:10,610 % 

Es handelt sich um eine Kläranlage in Waßmannsdorf, die von der Fondsgesellschaft betrieben wird. Als Betriebsführer sind die Berliner Wasserbetriebe beauftragt. 

 

Und – weil ich beim Finden bin - finde ich noch dieses:

 

1994/96  

Verwaltungsgebäude für das Klärwerk Waßmannsdorf, Brandenburg

Auftraggeber:

Kosten:
Leistungen:

Projektleitung Susanne Hofmann, Büro Gerhard Spangenberg   Berliner Wasserbetriebe
20 Mio EUR brutto
LP 1-5, künstlerische Oberbauleitung

 

Warum es diesen Durchgang unter dem Gebäude gibt will ich wissen, und ob die Mulden eine Funktion haben.

Ja, sagen die Teilnehmer, das sei so gewesen: Der Architekt habe für Kunst am Bau sorgen wollen. Ein Klärwerk reinigt Abwasser, und das gereinigte Wasser muß dann irgendwohin. Der Architekt hatte geplant in den Mulden einen kleinen Fluß für das gereinigte Wasser anzulegen, der sollte unter dem Gebäude durchfließen, das Wiesenstück vor dem Gebäude, durchqueren, in den Teich münden und aus diesem seinen Weg zum nächst größeren Fließgewässer suchen – in diesem Fall zum Teltowkanal.

Der anrührende Gedanke des Architekten wurde wuchtig abgelehnt, einstimmig. Deshalb befindet sich das Ensemble heute in diesem rätselhaften Zustand - ohne Rinnsal. Das gereinigte Wasser wird an einer entlegenen Stelle unauffällig vom Betriebsgelände geführt.

 

Ich erinnere mich.

 

1993 wurde ich umgeschult, zum Bautechniker. Eine der anständigsten Personen, die ich je getroffen habe, vermittelte uns Entwurf und Ähnliches was in der Bautechnik nicht direkt handfest ist. Herr Plewe war, meine ich mich zu erinnern vor der Wende Direktor der Ingenieurschule für Bauwesen in Potsdam, wurde wendemäßig abgewickelt und durfte nun sein Gnadenbrot an der Technikerschule in Berlin Moabit essen. An dem Tischchen auf dem das Gnadenbrot aufgedeckt war traf er auf Herrn Karl-Heinz Krause der vor der Wende Direktor der Ingenieurschule für Bauwesen Berlin-Friedrichshain gewesen war.

Nebenbei bemerkt eine ähnlich beeindruckende Person wie Herr Plewe, ich denke daß beide mich sehr geprägt haben, weil sie vorgeführt haben wie das geht Mensch zu sein.

Herr Plewe mochte mich gerne, vielleicht weil ich der älteste Teilnehmer der Maßnahme war und in der Lage klug daherzublicken.

Er gab uns eine Aufgabe: wir sollten das Sozialgebäude für ein Klärwerks entwerfen. Waschräume, Umkleidräume, Kantine, das ganze auf zwei Etagen verteilt. Und es sollte auch ein Stückchen Kunst am Bau mit dabei sein.

Ich war (und bin) kein besonders guter Bautechniker.

Aber die Kunst am Bau, da fiel mir sofort etwas ein. Mein Sozialgebäude stand gleich bei der Einfahrt auf das Klärwerksgelände. Und ich führte von rechts der Einfahrt zwei etwa 40 cm dicke Rohre heran, winkelte sie neben der Einfahrt ab, ließ sie senkrecht bis auf eine Höhe von 4,0 m steigen, knickte sie wieder, ließ sie die Straße überspannen und führte sie abknickend herunter zum Grund, wo sie dann weiterlaufen sollten.

Diese Rohre sollten meiner Planung nach durchsichtig sein. Und in dem Einen kam das Abwasser ungeklärt von draußen angeflossen und in dem anderen, in Gegenrichtung sollte das gereinigte Wasser fließen. Etwas simples: Vorher/nachher.

Als ich aber Herrn Plewe diese künstlerische Vorrichtung erklärte schaute er mich durchdringend traurig an, schüttelte tief enttäuscht den Kopf und sagt so etwas könne man dem Kunden niemals anbieten, ja so etwas dürfe man überhaupt nicht denken.

Als ich nun nach meinem Einsatz im Klärwerk meiner Ehefrau davon erzählte gab sie Herrn Plewe vollkommen recht. Nun, ich muß das hinnehmen. Das Urteil von mir wichtigen Menschen. Kunst am Bau hat in Klärwerken nur bedingt etwas zu suchen.

 

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