W E I S T Ü M E R
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Eine Zierde des Gewerbes

 

Vor der Wende war das in Westberlin so: der Gerüstbauer als solcher stammte aus Spandau oder Tempelhof. Das heißt nicht daß andere Stadtviertel keine Männer ins Gewerbe entsandten, aber Anzahl war gering und das Eigentliche, das was den Rüster ausmacht war bei denen nicht derart deutlich ausgeprägt.

Die Tempelhofer wiederum unterschieden sich von den Spandauern dadurch daß sie enger organisiert waren, es gab ein Stammlokal, es gab eine Fußballmannschaft, die Spandauer waren eher individualistisch veranlagt, sie siedelten mental gesehen zum Rand hin, dort wo Tragik und sinnlose Aggression Arm in Arm öde sich harmlos gebende Vorortstraßen hinunterschlendern.

Dabei waren die Gerüstbauer aus Spandau durchaus charmant, unterhaltsam, kollegial, keinem Spaß abgeneigt.

Detlev "Deddie" Schulz war ein Grandseigneur der Zunft, einer von dem man sagte er habe sie noch alle gekannt, diese mythischen Kollegen die es früher gegeben haben sollte. Früher das war die Traumzeit des Gewerbes, wahrscheinlich liegt sie immer 2 oder drei Jahre zurück. Seinen großen Auftritt hatte Deddie als einmal dem Montagemeister, dem halslosen Hermann, etwas geträumt hatte. Er fuhr mit dem Montagefahrzeug vor, begleitet von Boffo dem Montagehund, sprang aus dem Wagen, fiel dem verwirrten Deddie um den Hals und schluchzte:

 

"danke, danke, vielen Dank, ich habe heute Nacht geträumt man verfolgt mich und ich komm an einen Gitterzaun und die kommen näher und dann warst du da und hast mir die Tür aufgemacht, danke lieber Deddie!"

 

Ja das hat sich tatsächlich ereignet, war selbst dabei, sich darauf einen Reim zu machen ist keine leichte Aufgabe.

Aus Spandau kamen auch Kollegen die Jugendstrafen wegen Rohheitsdelikten hinter sich hatten, einer hatte einmal einen Rollstuhlfahrer eine Kellertreppe hinuntergeworfen, und dann den Rollstuhl hinterher. Der Chef der Chevibande tauchte nach einer mehrjährigen Haftstrafe bei uns im Betrieb auf. Dessen liebste Übung war es gewesen Leute am Abschleppseil hinter dem Chevi durch den nächtlichen Wald zu schleppen.

Aber diese Taten waren im täglichen Umgang mit ihnen nie präsent, obwohl sie, sprach man sie deswegen an, keineswegs die Auskunft verweigerten und auch nicht versuchten ihre Taten kleinzureden.

Weiterhin kam aus Spandau Dieter Toll (welch ein Name!)

Dieter Toll war das eigentliche Originalgenie des Gerüstbaus, einer der Spitzen-darsteller des Dramas vom hochbegabten Trinkers. Er war Schlosser, er war Unimogfahrer, er war Kolonnenführer, er konnte alles, wußte alles (natürlich viel besser!) Er wußte es so gut, daß er, wenn Heiner, der beste Wisser überhaupt, seine Weisheiten von sich gab, subtil in die Runde lächelte, kaum merkliche Bewegungen mit dem Lid ausführte um uns zu verstehen zu geben daß er es ja noch besser wisse aber...

Das alles hinderte ihn aber nicht regelmäßig soviel zu trinken daß wir anderen Trinker im Betrieb meinten er übertreibe doch ein wenig.

Im Gespräch war er unübertroffen weil er alles toppte was thematisiert wurde, und da war keiner im Betrieb der ihm über gewesen war.

In einem Pausengespräch ging es einmal darum wie warm man es im Winter in der Wohnung habe, die einen sagten dies, die anderen das. Toll griff ein:

 

"also bei mir zu Hause ist es immer so warm daß die Kinder nackt rumlaufen müssen!"

 

Noch wärmer, und man hätte Spiegeleier auf der Auslegware braten können.

Ein anderes Mal ging es um Klagen von Nachbarn über Lärm aus der eigenen Wohnung. Dieter ging damit so um:

 

"ganz einfach, ich fahr meine Lautsprecherboxen mit der Sackkarre mitten ins Zimmer leg sie flach hin und drehe voll auf, die sagen nix mehr...."

 

Nix mehr sagen, so war es, wir konnten nur voller Ehrfurcht schweigen und anzuerkennen daß Dieter immer alle rethorischen Asse in der Hand hatte.

 

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