Ein Bruderzwist

Ende der 80er Jahre

Da waren vier Brüder – einer war - wie das nicht anders sein kann - der Älteste, einer der Jüngste und zwei dazwischen. Drei waren Gerüstbauer. Wenn es so etwas gibt wie soziale Wucht – was heißen könnte daß einer im Netz der menschlichen Beziehungen spürbare Verformungen hinterläßt, dann war es Klaus, der Älteste. Den zweiten, Jürgen lernte ich anläßlich einer Schulungsmaßnahme kennen, es ging dabei anscheinend um die Berechtigung sich Ausbilder nennen zu dürfen, und der Beruf für den das gelten sollte war natürlich der Gerüstbau. Der kleinste von den Brüdern – ein schmaler Typ mit unsicheren Huscheaugen – war nicht bemerkenswert, er erhielt allgemein schlechte Beurteilungen im Gewerbe.

Vom restliche Bruder der kein Gerüstbauer war, erzählte man er habe sich früh aus dem Familienverband entfernt. Er war still und beholfen, außerdem half er Henrys Frau, ihn, den Präsi, zu betrügen. Davon ist an einem anderen Ort die Rede.

Jürgen war ein wenig weinerlich veranlagt, was im Gerüstbau nicht selten ist, weil das Gewerbe Menschen anzieht die meinen sie könnten sich durch das harte Tun (Gerüstbau wirkt so auf das unbewaffnete Auge) von der Neigung zum Weinerlichen kurieren.

Bei einer Gelegenheit – Jürgen und Klaus waren beide anwesend , es war ein wenig getrunken worden, Jürgen war schon reichlich angeweicht, legte er die beliebte Platte - ich war nicht der Lieblingssohn - auf. Er steigerte sich, Klaus schubste ihn etwas herum, sowohl verbal als auch brachial und schließlich unter fürchterlichem Schniefen und Tränenströmen plärrte Jürgen heraus:

"Ja, er hat dich immer lieber gemocht, immer, der Vater, ja, dich immer vorgezogen, ja als er sich erschießen wollte kam er auch zu dir und nicht zu mir um sich eine Pistole auszuleihen!"

Ein Weinkrampf schüttelte ihn.

Worauf Klaus ihm eine reinhaute und sagte:

"So ein Idiot, denkst du denn ich hab ihm meine Pistole gegeben? So ein Blödmann!"

Allerdings hat sich der Vater kurze Zeit darauf auch ohne die Hilfe der Söhne erschossen.