W E I S T Ü M E R
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W E I S T Ü M E R

Ein Angebot welches ich – anscheinend – nicht ablehnen konnte

 

Frühe 50er Jahre, Kulmbach, an einem idyllischem Ort

 

Meine Großmutter – ja genau, die beim Turnen Ertappte, die Hans-B.-Bändigerin, war zwar eine praktische Person, litt aber unter einem im Familienverband sogenannten "Direktersch-Fimmel". (etwa Direktoren-Wahn). Der machte sich so bemerkbar, daß sie rückhaltlos die sogenannten besseren Kreise in Kulmbach als eine fundamentale Einrichtung anerkannte und abfeierte. Sie ging davon aus daß diese Personengruppe die Arbeitsplätze schafft von denen die kleinen Leute leben. Also dafür sorgten daß diese nicht verhungerten. Mein Großvater wiederum der in Leuna knapp der Exekution entgangen war litt unter dieser Attitüde, während die Kinder (meine Mutter und mein Onkel) ihr diese verziehen weil sie eine durch und durch gute Person war. Sie neigte dazu Geschichten zu erzählen die häufig weder Hand noch Fuß aufwiesen aber durch die Art des Vortrags auf eine neue Stufe gehoben wurden. So die Geschichte vom Pelztierla – an anderer Stelle soll ein Versuch unternommen werden diese darzustellen.

Sie war eine resolute Person: den ganzen Faschismus hindurch bewahrte sie die Fahne der Kulmbacher KPD an einem Handtuchhalter hinter einen Vorhang auf, getarnt als Handtuch (solche Vorrichtungen gab es damals). Einmal als von der Zeit des Faschismus in Kulmbach erzählte – wie das war als einige Männer sich in ihren nagelneuen Uniformen durch Kulmbach bewegten verwendete sie das Wort schnelzen: sie seien durch Kulmbach geschnelzt. Für mich wurde der Anblick sofort sichtbar. Wie schon angedeutet waren meine Großeltern arm, so arm daß sie sich nicht mal "Mein Kampf" leisten konnten. Deshalb lief sie sofort nach Bekanntwerden der deutschen Kapitulation auf die Straße um eins von den vielen weggeworfenen Exemplaren des Buchs zu sichern.

Eine Geschichte, in der ich als äußerst junger Mensch eine der Hauptrollen spiele erzählte sie immer wieder gerne. Heute – nach über 60 Jahren - ist mir immer noch nicht klar ob sie nützlich ist, ob man etwas aus ihr lernen kann.

Meine Großmutter arbeitete als Putzfrau in der Fischersvilla (längst beseitigt weil die Kulmbacher Stadtverwaltung sich der rabiaten Moderne verpflichtet fühlt). Diese Villa war durch einen verwilderten Garten mit dem Haus in dem meine Großeltern lebten verbunden.

Die Familie Fischer betrieb eine Kunstmühle (lange habe ich als junger Mensch diesem Wort nachgeschmeckt) diese Kunstmühle lag neben der Villa am weißen Main, der hier kanalisiert war und anscheinend früher diese Mühle angetrieben hatte. Der Kanal verschwand unter der Mühle, erst im letzten Jahr habe ich den Verlauf des Gewässers abschreiten können. Weil die Stadt Kulmbach gerne und rabiat abreißt und den Verlauf des Gewässers so freigelegt hat.

Da war also ich, sehr jung, vielleicht drei Jahre alt – ich denke es wird ein Samstag gewesen sein, einer im Sommer, die Hitze lag wie eine Walze über der Welt und schaffte einen staubigen Frieden.

Von der Hauptstraße herkommend verlief neben dem Kanal eine gepflasterte Stichstraße die in einen gekieselten Platz vor der Mühle mündete.

Der Sohn der Familie Fischer – die Arbeitgeber meiner Großmutter – das Fischersfritzla – hatte einen kleinen Hammer geschenkt bekommen und bewegte sich unsicher auf dem Platz.

Ein Hammer ist der natürliche Wunsch jedes jungen Knaben. Jedoch nach Erfüllung des Wunsches stellt sich heraus, daß der Nutzen eines Hammers eher mäßig ist. Man kann – ohne destruktiv zu sein – kaum etwas damit anfangen.

Deshalb, so erzählte meine Großmutter, sprach das Fischersfritzla mich mit den Worten an:

 

"Soll ich dir ein Steinchen loshämmern?"

 

Anscheinend bat ich darum und Fischersfritzla hämmerte los. In meiner Erinnerung (die nicht echt sein muß) ist es so, daß es da eigentlich nichts zum loshämmern gab, weil der Straßenbelag aus losem Grobkies bestand.

Schon beim ersten Schlag löste sich der metallene Hammerkopf vom Griff und sprang unwiederbringlich in den Main.

Die Geschichte endet hier. Zu klären bleibt noch ob das Mitgeteilte tatsächlich eine Geschichte ist und ob - wie bereits erwähnt - es eine Nutzanwendung gibt.

Und eine weitere Frage, ist es meine Geschichte? War ich wirklich Teil der Geschichte? Oder war es so, daß ich zufällig anwesend war und meine Großmutter mitteös immer wieder erneuten Erzählen etwas herstellen wollte. Und wenn das so war, was könnte das aber gewesen sein?

 

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