W E I S T Ü M E R
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Ein Vater erklärt sich seinem Kind

Berlin Mitte der 70er

Herr Kreowsky war hager und etwa 1,90 groß. Er betrieb eine kleine Gebäudereinigung und weil diese Unternehmung noch am Anfang stand, war die Stimmung zwischen ihm als Unternehmer und uns, seinen Angestellten, entspannt und familiär.

Aus Gründen die ich nicht mehr recht erinnere war es üblich Samstags – wenn es Aufträge zum Abwickeln gegeben hatte – sich nach Arbeitsschluß bei seiner Privatadresse einzufinden um Bericht zu erstatten. Er lebte mit seiner Familie in einer Steglitzer Wohnanlage, die sich um einen riesengroßen Innenhof gruppierte.

Ein Samstag Nachmittag, im Sommer, im ruhigen umfassend geschützten Westberlin. Zeit zäh wie Honig, die Stimmung mürbe.

Herr und Frau Kreowsky sitzen friedlich in der Sonne auf einer Bank und sehen ihrem etwa vierjährigen Kind zu das versucht mit einem Kinderfahrrad ins reine zu kommen. Dieses Fahrrad ist ihm anscheinend gerade übereignet worden.

Das Kind müht sich ehrlich ab, es gelingt ihm aber nicht das störrische Gerät zu meistern. Vater Kreowsky – dem man eine gewisse Unduldsamkeit nicht absprechen kann - steht auf, tritt auf das Kind zu, schaut es nachdenklich an, nimmt ihm das Fahrrad aus den Händen, faltet sich mit einer nur knapp euklidischen Bewegung zusammen, die mündet tatsächlich auf dem Sattel und den Pedalen. Und.... er radelt los.

Es wirkt unwirklich, wie nicht von dieser Welt. Das Kind ist verwirrt. Frau Kreowsky lächelt stolz.

Da kippt – in einer perfekten kreisförmigen Bewegung – das Konglomerat Fahrrad/Herr Kreowsky nach hinten weg, und schlägt, da der Schwerpunkt der Konglomerats ziemlich hoch liegt eine Art Salto. Herr Kreowsky kommt schließlich auf dem Rücken zu liegen, das Fahrrad liegt auf ihm.

Er rappelt sich auf, wischt von innen her den Schmerz aus dem Gesicht, dem Rad ist nichts geschehen. Er sieht das Kind belehrend an und sagt:

 

"Da siehste mal was Pappi alles kann!"

 

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