W E I S T Ü M E R
W E I S T Ü M E R
W E I S T Ü M E R

Aus dem Leben eines überzeugten Unternehmers

 

1998 Berlin / Mühlenbeck

 

Johannes I. war klein und zierlich, dazu rothaarig. Er trug Schuhe mit speziellen Absätzen die dem Träger einige Zentimeter zusätzliche Höhe schenken sollen, dabei aber das Defizit erst richtig deutlich machen. Immerhin verdanke ich ihm, daß ich diese mythischen Vorrichtungen, von denen ich bisher nur gehört hatte mit eigenen Augen sehen durfte, was für mich Erfüllendes hatte.

Der Nachname, der hier aus Gründen des Datenschutzes nur einbuchstabig angedeutet werden kann, ziert auch einen kleinen, wackeren Staat im nahen Osten.

Er – der Name - gab nicht selten zu Mißverständnissen Anlaß.

Johannes I. wurde von jedermann Isi genannt. Sein Betrieb hieß auch so: ISI-Combi-Gerüstbau.

Isi war eine Naturbegabung. Aus einfachsten Verhältnissen hatte er sich ins Licht emporgearbeitet und zwar derart intensiv daß er sich ein stattliches Haus in bester Berliner Lage (Frohnau) zusammen gebauleitert hatte.

Bauleiter war er bei einer großen alteingesessenen Westberliner Bauunternehmung gewesen. Ihn zeichnete seine unkonventionelle Vorgehensweise aus: er berechnete zum Beispiel daß es billiger war zwanzig Schubkarren zu kaufen und sich vom Arbeitsamtschnelldienst 20 sogenannte Schippanowskis kommen zu lassen anstelle eine Betonpumpe einzusetzen.

Lange Zeit war er so zufrieden und doch beschlich ihn irgendwann – so teilte er jedem gerne mit – ein Gefühl. Nämlich daß er nicht in die innersten Bereiche der Baufirma eingelassen wurde. Daß man seine unbedingte Leistungsbereitschaft gerne in Anspruch nahm, aber der Zutritt zum Eigentlichen (wobei er aber keine klare Vorstellung hatte was das sein könnte, stellte sich das aber als konkrete Räumlichkeiten vor) blieb ihm verwehrt.

Dann kam der Beitritt der SBZ. Isi war eins klar: im Beitrittsgebiet sah es fürchterlich aus, es konnte gar nicht anders sein. Eine Ruinenlandschaft. Rings um Westberlin. Und was hatte das zur Folge? Es mußte gebaut werden, neu gebaut, renoviert. Und wenn neu gebaut wird, was wird da gebraucht? Kein Zweifel, Gerüste, was denn sonst. Daraus ergab sich der zwingende Schluß daß er eine Gerüstbaufirma gründen mußte.

Überhaupt war er überzeugt jetzt würde ein neues Wirtschaftwunder stattfinden.

Er war auch nicht wenig nervös und ein Freund übereilter Beschlüsse. Schaffte es zweimal mit seinem kompletten Material umzuziehen (in Fachkreisen ein gefürchteter Vorgang, der unbedingt zu vermeiden ist), schaffte es auch sich einen Anhänger voll Material stehlen zu lassen und überhaupt ging es bei weitem nicht so toll los wie er sich das gedacht hatte. Das Wirtschaftswunder fiel aus.

Sein Name, wie schon erwähnt, gab zu Mißdeutungen Anlaß. So geschah es einmal daß der LKW des Betriebs von national gesinnten Jugendlichen in O-Burg (idyllisches Kleinstädtchen bei Berlin) aufgehalten wurde, mit der dringenden Frage was es zu bedeuten habe, daß ein Fahrzeug einer Firma mit einem solchen Namen durch das befreite Territorium fahren wollte.

Die selber national gesinnten Insassen des Fahrzeugs, Angestellte von Isi versuchten zu erklären, was sie nicht wußten war daß der inkriminierte Namen ein alter deutscher Pietistenname ist, und schließlich einigte man sich mit dem Stoßtrupp daß sie diesen einmal die Hauptstraße von O-Burg auf und ab fahren sollten, wobei der Trupp auf der Ladefläche stehend mit der entsprechenden Fahne wedeln würde. Dazu einen Six-Pack auf die Hand.

So weit zu dem Umfeld. Ich habe ein Jahr als Bauleiter in diesem Betrieb gearbeitet, es war ein schlimmes Jahr.

Da ist also ein Samstag, später Nachmittag, meine Arbeit die nie zu Ende ging ist soweit gediehen daß ich es wagen kann mich vom Chef zu verabschieden. Der sitzt gut gelaunt hinter seinem Schreibtisch und kritzelt vor sich hin.

Er sei gerade dabei ein Angebot für die Kompletteinrüstung eines U-Bahnhofs (oberirdisch, Hochbahn) auszuarbeiten. Seine Augen glänzen.

Am Montag als ich um 5:00 morgens wieder in Büro komme sitzt er immer noch da die Augen ein wenig blutunterlaufen, das Gesicht sehr blaß, aber er ist bester Dinge.

"Herr M. (vollständiger Name kann....) ich bin fertig, das Angebot geht jetzt raus, 65326,63 Mark. Ganz knapp kalkuliert, den Auftrag will ich haben, keinen Pfennig weniger, dann haben wir alles Kosten gedeckt und machen 3000,00 DM Gewinn!" Er strahlt. Ich soll sofort das Angebot zum Briefkasten der ausschreibenden Firma bringen.

Am nächsten Tag, früher Nachmittag, ich sitze im Büro und Isi erzählt mir aus der Welt der Unternehmer und wie das war mit den ihm verschlossenen Räumen. Das Telefon klingelt, die Sekretärin ruft es sei der Mann wegen dem Bahnhof. Sie solle durchstellen, sagt ISI, macht mir ein Zeichen, was verschwörerisch gemeint sein könnte. Ich kann mir aber keine Verschwörung vorstellen an der er und ich auf der gleichen Seiten teilnehmen könnten.

Er stellt das Telefon auf Mithören. Eine knarzige Stimme:

 

"Das hast du aber fein gemacht, Isi, hast dir wirklich Mühe gegeben, ich sag dir was, 50000 Äppel und du hast den Auftrag!"

 

"Gemacht!"

 

antwortet Isi, ohne einen Moment zu zögern und strahlt mich wie ein Sieger an.

 

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