W E I S T Ü M E R
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Innenarchitektur der Psyche (do-it-yourself)

 

Die beliebte Floskel - Ornament sei mit dem Verbrechen assoziiert – stammt von Adolf Loos einem bekannten Verbrecher (Sparte Kinderschänder).

In einem alten Buch, dem Eckstein des sogenannten Abendlands wird die Meinung vertreten unsere Rede solle ja, ja, nein, nein sein, als Solozugabe teilt man noch mit, alles was darüber hinausginge sei von Übel.

Das sind Ansichten die der geschmückten Rede kritisch gegenüberstehen.

Heute (09.08.2011) gebe ich einem unabweisbar gewordenen Drang nach und gehe endlich dem Wort Floskel nach. Im etymologischen Wörterbuch der deutschen Sprache von Kluge (de Gruyter 1975; 21. unveränderte Auflage) findet sich dazu Folgendes:

 

Floskel f. Lat. flosculus m. , Verkleinerung zu flos 'Blume'; erscheint in deutschen Texten seit 1689 neben gleichbedeutenden Blümlein, Wortblumen.

 

Diese Erklärung ist erhellend, sie liefert zusätzlich das schöne, mir neue Wort Wortblume. Seit dieser Erhellung siedelt ein unbehagliches Gefühl in mir.

Ich habe eine positive Einstellung zur Floskel, keine Scheu meine Rede mit Hilfe dieser aufzublähen und aufzuplustern.

Andrerseits käme ich nie auf den Gedanken meine Wohnsituation durch den Einsatz von Blumen zu beeinflussen. Ich fühle mich dem Nüchternen, dem rechten Winkel, leeren Tischen und Wänden verpflichtet.

Die Floskel – sie ist nichts anderes als die Entsprechung des Konzeptes von Schöner Wohnen im Gebäude des Textes, ein Schmücke-dein-Buchstabenheim. In der Welt des Anfaßbaren lehne ich solche Konzepte strikt ab. Aber wiederum, seit ich mich damit beschäftige und mich umsehe (in meinem Zimmer) bin ich mir nicht mehr so sicher.

Beim Sichten meiner Lieblingsfloskeln bemerke mir daß drei aus meiner Zeit im Gewerbe (Gerüstbau) stammen. Das Verwenden der Wendungen hat etwas Lustvolles, es bringt mit Sicherheit intensive Erinnerungen an die Autoren.

Da ist der Spruch:

 

"....was glaubst du / glaubt ihr wie schön das wird!"

 

von dem unvergeßlichen Heiner, dem genialen schlesischen Hundewägelchenfahrer. Mit dieser Wendung hat er als Vorgesetzter immer wieder versucht uns, dem Fußvolk blödsinnige oder unappetitliche Arbeitsvorhaben schmackhaft zu machen. Geäußert mit einem ernsten Blick und einer Prise Nervosität in der Stimme. (was wenn daß Fußvolk mit Unglauben wie mit einer starken Mauer reagiert?)

Die Nutzanwendung dieser Floskel ist sofort einsichtig, ja man fragt sich nach zwei- dreimaliger Verwendung wie man bisher ohne sie auskommen konnte.

Im Fuhrpark des Betriebs gab es den Kollegen Hermann 'Hermie' P. Er war in seinem Vorleben in unklarer Weise Rennfahrer gewesen, welche motorisierten Fahrzeuge dabei zum Einsatz gekommen waren wurde nie geklärt. Nicht auszuschließen ist daß es sich um Kartrennen handelte.

Hermie hatte eine ungewöhnlich nervöse Art zu reden, nie war er entspannt, sah immer mitgenommen aus, so als käme er gerade aus dem Fürchterlichen. Das Trinken (Alkohol) schien er hinter sich gelassen zu haben. Aber er war im Umgang angenehm und unbedingt zuverlässig.

Ihm verdanke ich den nützlichen Begriff der

 

Solozugabe.

 

Diesen flicht man in die Rede ein um einen Zusatz, eine Bedingung, eine Einschränkung, einen Wunsch zu äußern.

 

"... und als Solozugabe kam er dann auch noch zu spät zur Arbeit; ... und als Solozugabe noch Mayo an die Fritten; ... mußte ich am Samstag als Solozugabe arbeiten; ... könntest du mir als Solozugabe mal das Sechs-Meter-Rohr anreichen..."

 

Der Begriff Solozugabe schien aus dem Rennsport zu stammen und irgendwie auf Einzelkräder zu verweisen (im Gegensatz zu Gespannen das sind Motorräder mit Beiwagen). Wir haben von Hermie nie Aufklärung verlangt.

Seine zweite Lieblingswendung

 

"Wenn du verstehst was ich meine..."

 

Ist universell einsetzbar, immer passend, immer willkommen, setzt jeder Rede ein strahlendes Glanzlicht auf.

Viel später fand ich die Wendung im Angloamerikanischen wieder als "if you catch my drift" und noch später die dunkle Sentenz "you catch the drift but not the drifter" (B. Hancock, texanischer Troubadour).

 

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