W E I S T Ü M E R
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Der Rauchfußsche Hund

 

Das ist schon lange her. Es war die Zeit der Kinderläden. Berlin durch eine Mauer geschützt.

Wegen der Kinderläden lernte ich die Familie Rauchfuß kennen. Die Mutter war eine handfeste, übernervöse Krankenschwester, der Vater ein unauffälliger Bonvivant auf niedrigem Niveau. Es gab zwei Kinder. Die Familie bewohnte eine riesengroße billige Wohnung am Kurfürstendamm, damals kam das nicht selten vor,.

Weiter gehörte der Familie noch ein Hund an, der sogenannte Rauchfußsche Hund. An seinen Rufnamen kann ich mich nicht mehr erinnern.

Der Hund war meist vollkommen orientiert und sein Verhalten durchaus das eines angepaßten Haustiers. Nur eine Gewohnheit hob ihn aus der Schar der anderen Haustiere heraus

Diese Gewohnheit des Tieres war nun folgende: wenn es an der Wohnungstür klingelte schaffte es das Tier stets als erster an der Tür zu sein. Wurde die Türe geöffnet witschte es gedankenschnell in den Flur, baute sich neben den Besuchern auf, so als ob er zu ihnen gehörte. Fletschte die Zähne und knurrte den oder die Familienangehörigen im Inneren der Wohnung aufs bösartigste an. Betrat der Besuch die Wohnung, oder wandte er sich zu gehen nahm der Hund sofort seine Stellung als loyales Haustier wieder ein.

Das war also seine Eigenart. Seine Familie schüttelte den Kopf, nein welche seltsamen Angewohnheiten doch Tiere so vorlegen.

Das ging eine ganze Zeit so. Aber der Hund plante Größeres. Er hatte einen Entschluß gefaßt. (Das habe ich mir so zurecht gelegt.)

Bei einer passenden Gelegenheit floh er aus der familiären Wohnung. Vor dem Haus gab eine Haltestelle des 19er Busses (später 119, heute M19). Der Hund reihte sich unauffällig in die Schar der Wartenden ein.

Der Bus hielt, die Tür öffnete sich. der Hund sprang an den Wartenden vorbei in das Fahrzeug und baute - überzeugend das Gebiß fletschend - eine deutlich Drohkulisse auf. Er war schnell, es ihm gelang durch sicheres Patrouillieren zwischen den beiden Türen des Busses die Fahrgäste am Aus- und Einsteigen zu hindern.

Dabei soll das Tier unwiderstehlich überzeugend ausgesehen haben. Sagten die Betroffenen hinterher.

Doch das Fest im 19er Bus währte nicht. Zwar sagt man: every Dog has it's day, aber es ist auch so daß jeder solcher Tage seinen Abend hat. Ein beherzter Fahrgast (einer der zusteigen wollte; es gab noch keine Handys!) alarmierte die Staatsmacht, die manifestierte sich in Form eines Trüppchens Polizisten. Die ließen sich nicht vom wehrhaften Betragen des Tieres bluffen, man führte es ab ins Tierheim, wo es später wegen Verstoßes gegen (ja, gegen was? Behinderung des ÖPVN? Erregung öffentlichen Ärgernisses?) zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.

Das war damals, als Berlin noch an der Front lag und die Busse nur zweistellige Nummern hatten.

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