W E I S T Ü M E R
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Das Permit

 

Mein Bruder  trank in den 80er Jahren gerne Sekt. Ein Tag - eine Flasche. Das tat seinem Magen nicht gut, und wie er diese Sitte finanzierte war unklar.

Einwände gegen seine Gewohnheit tat er ab. Denn er fühlte sich verpflichtet, weil sich im Werk von Dillard & Clark folgende Textzeile findet:

 

"Now dressin' fine, drinking sparklin' wine baby ain't just exactly free"

 

Diese Worte entstammen dem Musikstück "Don't Come Rollin" enthalten auf dem Tonträger "The Fantastic Expedition of Dillard & Clark". Dillard ist Doug Dillard (von den Dillards) und Clark ist Gene Clark (von den Byrds).

Nebenbei bemerkt, eine makellose Platte, die mir seit 1968 ununterbrochen gefällt.

Diese Begründung erscheint vielleicht dünn, weit hergeholt, aber mehr gab es nicht. Immerhin wäre es auch möglich gewesen überhaupt keine Begründung zu liefern.

 

Weiter Sprung in die Zukunft, heißt in die Gegenwart. Jahresende 2014.

Um den Feuerwerken zum Jahreswechsel zu entkommen fahren meine Frau und ich nach Cottbus. Nebenbei bemerkt geraten wir vom Feuer in die Bratpfanne da Cottbus sehr nahe am Mutterland der Polenböller liegt und die Bevölkerung sich mit diesen Explosivvorrichtungen großzügig eingedeckt hatte.

Wenn wir verreisen geraten wir in einen ethnologischen Modus. Deshalb besuchen wir gerne örtliche Shoppingcenter, Fußgängerzonen und ähnliches. Ein Höhepunkt dieser Leidenschaft war ohne Zweifel die Begehung des Ikea in Brooklyn mit anschließendem Kaffeetrinken im Restaurant.

Wir suchen  in der Spreegalerie  die Drogerie Müller auf. Und bei den Badezusätzen finde ich Ungewöhnliches. Eine Packung Kaiser Borax..

Ich bin fasziniert. Nie gesehen, nie davon gehört.  Die Packung sieht aus als sei sie von den 50er Jahren übriggeblieben.

Ich lese die Gebrauchsanweisung und begreife: Kaiser Borax ist definitiv ein Wundermittel. Alles kann man damit reinigen, auch sich selbst. Möchte ich haben. Die Luxussuite unseres Hotels (die wir aus Versehen gebucht haben) ist mit einer geräumigen Badewanne ausgestattet.

Meine Frau greift ein und versucht mir vielargumentig den Kauf zu untersagen. Mir fällt keine Begründung ein warum ich das Päckchen dringend haben muß. Es ist nebenbei bemerkt unverschämt billig. Meine Gedanken rasen. Dabei ist es doch ganz einfach:

Denn trägt etwa nicht Robert Hunter folgende Textzeile vor:

 

" Some land in covered wagons moving west, some land in a borax mine amidst the clatter of mule teams."

 

Aus "Flight of the Marie Helena" (1985) ein ziemlich apokryphes Werk des Künstlers, aber unbedingt empfehlenswert. Eine Art Rock-Oper (sehr zurückhaltend instrumentiert)  in der es darum geht daß das größte Floß der Welt (die Marie Helena) angefüllt mit einer unübersichtlichen Schar Passagiere (zu denen auch du und ich gehören, denke ich) das Meer überquert.

Überhaupt, Robert Hunter. Empfehlenswert. Hat auch Rilke ins Amerikanische übertragen.

Meine Frau ist nicht direkt erfreut, aber immerhin  hat sie wieder ein Indiz wie sehr ich meinem Bruder ähnele, was ihr für die allfälligen Gespräche Munition liefert.

Zu der Ausstattung unserer Premiumsuite gehört auch freies WLAN.

Ich weiß nicht was Borax ist. Google verweist an erster Stelle auf Wikipedia die chemische Infos liefert, und bereits an zweiter taucht auf:

 

Die Borax-Verschwörung (aus dem Nexus Magazin)?

 

Während ich weiter im Virtuellen schwebe hat meine Frau die Packung genauer untersucht und teilt mir triumphierend mit daß Kaiser Borax  kein Borax enthält. (Siehe Scans).

Das wirft mich zurück, schlägt eine Schneise in mein Denken. Die Lust das Pulver meinem Badewasser zuzusetzen ist verschwunden. Ich bin ein Opfer der Borax-Verschwörung.

 

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