W E I S T Ü M E R
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Keinzi gibt ein Rätsel auf

 

Karlheinz R. genannt Keinzi, war der Bruder von Rainer R. Der jüngere Bruder, eine hauptsächlich quengelnde Person - er quengelte wahrscheinlich wegen der Einsicht der für immer jüngere Bruder zu sein - die sich schon früh darum bemühte diese Signatur zu perfektionieren. Um diesen Charakterzug zu akzentuieren hatte er sich eine entsprechende Stimmlage zugelegt. Er richtete ein Register ein im Bereich des hochgradig nasalen, des gequetscht-gedehnten, dabei war stets das akustische Substrat des Vorwurfs präsent.

Ich war 12 – im gleichen Alter wie Rainer - als ich beide kennenlernte. Das war im Juli 1961, der Ort das Burgtheater in der alten preisenswerten Stadt am Main, wo enge Gäßchen schüchtern zwischen alten Häusern hinschleichen.

Gezeigt wurde der Film 'Gorgo' eine Antwort britischen Filmschaffens auf japanische Monsterfilme. Rainer und Keinzi saßen in der Reihe vor mir und beide fielen mir auf weil Rainer den Keinzi wegen dessen ausdauernden Quengelns häufig mittels Kopfnüssen zur Ordnung rufen mußte. Wir kamen ins Gespräch und es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Wir wuchsen mehrere Jahre lang gemeinsam auf, rankten uns um Science Fiction (Terra und Perry Rhodan) und deutsche WildWestliteratur (Tom Prox und Pete). Eine hochgradig idyllische Zeit war das.

Viel später – Rainer lebte als Realschullehrer zurückgezogen, war aber in entsprechenden Kreisen bekannt als fanatischer Sammler von Tom Prox- und Petebüchern - brachte es Keinzi zu lokaler Berühmtheit. Er war durch die Abiturprüfung gefallen, war aber der wildeste Feierer bei der Abiturfeier, die in Form eines Traktorenkorsos durch die Innenstadt durchgeführt wurde. Keinzi saß auf der Motorhaube des führenden Gerätes, schwenkte wild und ausgelassen den Krug (gefüllt mit Bier) und war überhaupt bester Dinge. Diese Unbedingtheit, diese sportliche Einstellung zu Prüfungen schufen das Fundament seines Rufes.

Am Kulmbacher Marktplatz hieß Keinzi den Umzug anhalten, sprang von der Motorhaube und trat zur Bratwurstbude die von seiner Mutter betrieben wurde und orderte – kostenneutral – eine Runde Bratwürste für die anderen Teilnehmer der Veranstaltung. Was ihm ohne zögern gewährt wurde.

Frau R. war Betreiberin dieser Bratwurstbude. Das verschob - nebenbei bemerkt - die Ernährung der Familie ein Stückchen ins Einseitige. Der Vater R. schien vom Beruflichen her Steuerberater gewesen zu sein, in seiner Freizeit war er Jäger, und die Bevölkerung meinte daß er nicht nur den Tieren des Waldes nachstellte, nein er sollte auch als – wie man das lokal so nannte - Schnallentreiber tätig gewesen zu sein. Unter dem Strich war er eine unangenehme eher störende Figur.

Nach diesem Auftritt war Keinzi gewissermaßen zu einer öffentlichen Person geworden. Folgender Kurzdialog wurde in kürzester Zeit zum Allgemeingut:

Keinzis Freundin Geli war ein eher simpler Geist, aber herzensgut vom Gemüt her. Keinzi hat sie einmal – vor Zeugen - wie folgt angeredet. In seinem bekannten Tonfall, in dem auch merkwürdigerweise eine gewisse Wienerische Anmutung mitschwang aber auch unbeholfene Laszivität. Der folgende Satz enthält keinen Schreibfehler.

 

"Geli ... ich habe Nust ..."

 

(Ja, genauso, die Zeugen beschwören es, er sagte definitiv Nust.)

 

Worauf Geli sagte (piepsig, dem Keinzi hilfsbereit und offen zugewandt, eine Elsa Brandström der Zweierbeziehung):

 

"Ja, Keinzi auf was denn?"

 

Da fand einmal eine informelle von Keinzi ausgesprochene Einladung zum Trinken ins elterliche Haus statt. Das Trinken nahm seinen Gang und gelangte schließlich an eine bereits in der Bibel erwähnte Situation. Die Trinkmittel gingen zur Neige.

Keinzi, ganz der perfekte Gastgeber, verläßt kurz die Runde und kommt mit einer Flasche Wein zurück. Er stellt sich vor die frohe Schar der Geladenen, präsentiert das Getränk und trägt sein unsterbliches Rätsel vor (in seinem Signaturtonfall).

 

"Also... ich gebe euch ein Rätsel auf... diese Flasche Wein hier... ist die beste Flasche Wein und es ist zugleich die... schlechteste Flasche Wein!"

 

Die Gemeinde fühlte sich getroffen und es hub ein großes Raten an, jedoch keiner vermochte das Rätsel zu lösen. Schließlich ließ sich Keinzi herab und löste es.

 

"Also... diese Flasche hier ist die Beste die jeder von euch jemals trinken wird... und... es ist die schlechteste Flasche aus dem Weinkeller meines Vaters...!"

 

Die Gemeinde war ratlos.

Sogar mir, der ich diese Geschichte schon lange kenne, schwindelt es wenn ich sie bedenke. Ist es Keinzis mehr als sicheres Wissen um die Zukunft der Teilnehmer an diesem Gelage, oder ist es der tiefe Glaube an den Vater, an dessen Besitz, der sich in diesem Rätsel manifestiert. Das der Zauber von Keinzis Rätsel – das Rätsel das sich hinter seinem Rätsel verbirgt ist eine Batterie die sich nie entleert.

 

Gemeinsame Lektüre

 

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