W E I S T Ü M E R
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Die Weibergeschichten des Meisters aus Hibbing (Späte Aufklärung)

Ich habe einen Auftrag meines Bruders übernommen. Er hat sich die Gesamtausgabe (?) des Dylanschen Schaffens (41 CDs) angeschafft und ich werde die Texte zu dessen Liedern aus dem Internet herunterladen und ihm als Word-Dokument oder PDF zur Verfügung stellen.

Ja, Bob Dylan. Als ich mal ein junger Mensch war, fundamentierte mich sein Schaffen, (textlich + musikalisch). Ich erinnere mich genau.

Meine Mutter erinnert sich ebenso genau an die endlose Schleifen der Wiederholungen einiger Stücke (Desolation Row, Sad eyed Lady of the Lowlands kann sie heute noch relativ genau mitsummen).

Und wie geht das, habe ich etwas ausgewachsen, bin ich abgebogen, was geschah, wird wohl seine Zusammenarbeit mit Johnny Cash gewesen sein, es machte klapp (oder so ähnlich) und ich war fertig mit Dylan. Soll heißen, daß ich sein weiteres Schaffen nicht mehr systematisch verfolgte, und seine Texte, auch solche die mir immer sehr viel bedeutet hatten, kritischer wahrnahm.

Heute läßt mich der Gedanke an den Herrn Tamburin-Mann frösteln. Wie ich tanze, unter dem diamantenen Himmel, mit einer Hend die frei wedelt, und dazu das milde Rumsen des Kleinstschlagzeugs.

Obwohl, obwohl, warum habe ich nichts gegen das schöne Stück "Ripple" (Grateful Dead) in welchem Robert Hunter (dem späteren Kollaborateur des Meisters) der sich fragt wie es wäre wenn seine Lieder auf einer unbesaiteten Harfe gespielt würden. Der Klang wäre anders, denke ich, nicht so aufdringlich wie das Scheppern des Tamburins.

Es gibt aber mit Sicherheit einige Stücke von Minnesota Bob die mich nach wie vor im Viszeralen anrühren. Die eine oder andere Strophe aus seinen Liedern, oder einzelne Zeilen halte ich für durchaus bedenkenswert, sie haben für mich Bestand und weisen – meiner Meinung nach - Textqualität auf.

Auch gibt es in meinem Umfeld Personen von denen ich überzeugt bin, die anscheinend aus dem andauernden Meisterschen Schaffen bis heute etwas für sie Taugliches entnehmen können. Mein Bruder gehört dazu.

Das alles setzt mich in eine besondere Beziehung zu Bob Dylan. Manchmal erfaßt mich ein ungläubiges Staunen wenn ich seinen langen, langen Weg betrachte.

Also: emotional unvorbereitet fange ich an die Playlists seiner Tonträger (von aktuell nach 1963) vom Internet zu kopieren, tabellarisch aufzubereiten, um darauf entsprechend die Songtexte herunterzuladen.

Zuerst fällt mir auf: manches habe ich gar nicht mitgekriegt, manches am Rande, gehört habe ich das allermeiste nicht und er hat überraschend seltsame Werke angefertigt. Es gibt eine Weihnachtsplatte, es gibt Platten deren Songs er zusammen mit anderen Künstlern verfaßt hat (sogar mit dem bereits erwähnten Robert Hunter den ich im Übermaß schätze und dem ich die Zusammenarbeit mit Grateful Dead nachsehe).

Er – Minnesota-Bob - arbeitet mit entschiedenen Produzenten zusammen, die seinen Stücken Eigenes aufprägen, er bedient sich gerne bei alten Bluesmännern, er greift nach ehrwürdigen Countrystücken die schon zu der Zeit als sie zum erstenmal auf Platte gepreßt worden sind uralt waren. Ich bin verblüfft. Ich habe das Gefühl da ist einer der will nicht aufhören, kann nicht aufhören. Muß weitermachen, muß weitermachen, da denke ich an Ralfi – muß fegen, muß fegen.....

Beim Kopieren der Songtexte, bei Einfügen in ein Word-Dokument erhasche ich manchmal, einzelne Zeilen, manchmal auch ganze Strophen. Und mir fällt auf er hat ein Ding zu laufen mit Weibergeschichten, meistens mit solchen die nicht gut laufen. Der Mann scheint ja inzwischen über siebzig zu sein, aber... Ah, was. Das Verlangen endet vielleicht nie, es ist der Wind der die Windmühlen unserer Psyche antreibt, und jede Weibergeschichte die mit dem Abhandenkommen endet schafft den Freiraum für die nächste.

Wie gesagt bin ich verwirrt, vielleicht ist es eine Überdosis die mich unvorbereitet trifft.

Samstag abend telefonieren wir mit meinem Bruder. Ich erzähle ihm von meiner Verwirrung und meiner Vermutung wegen der Weibergeschichten. Mir fällt ein daß Dylan eigentlich schon auf seinen frühen Werken gerne Weibergeschichten abgehandelt hat.

Wir kommen auf Joan Baez zu sprechen, schwenken auf Suze Rotolo um, die ich für das auf der Rückseite der Plattenhülle der 'Blonde on Blonde' abgebildete langhaarige Wesen halte.

Ich rufe das Internet zur Hilfe. Und es stellt sich heraus das Suze Rotolo vollkommen anders aussieht als die Frau auf dem fraglichen Foto. Suze Rotolo sieht man auf der 'The Free-wheeling Bob Dylan' sie schmiegt sich eng an Bob, und sie gehen durch eine Straße New Yorks.

Ich befrage das Internet weiter weil mein Bruder unermüdlich mitteilt er habe seit Jahrzehnten dieses Bild:

in seinem Zimmer an der Wand hängen.

Ich erfahre es hat Streit gegeben wegen des Fotos auf der einen Hülle der Doppel-LP und bei Neuauflagen mußte es entfernt werden.

Denn die gezeigte Dame ist merkwürdigerweise Claudia Cardinale. Wir sind erschüttert (ich, meine Frau, mein Bruder)

Meine Erschütterung nimmt zu als ich – getrieben von meiner krankhaften Neugier - mich über Claudia informiere:

Claudia Cardinale (* 15. April 1938 in Tunis Tunesien geborene Claude Joséphine Rose Cardinale) ist eine italienische Schauspielerin. Sie gilt neben Sophia Loren und Gina Lollobrigida als die herausragende italienische Film-Diva.

Ihre Mutter war eine Nachfahrin von sizilianischen Auswanderern, ihr Vater stammte ebenfalls aus Sizilien. Ihre Muttersprachen waren tunesisches Arabisch und Französisch. Italienisch konnte sie bis zu ihrem 16. Lebensjahr nur in Form des sizilianischen Dialekts ihrer Eltern.

Was B. Dylan mit dieser Film-Diva zu schaffen hat ergibt sich nicht. Damals hab ich gedacht daß die Frau auf dem Foto ausreichend ansprechend aussieht. Vielleicht hat er das auch gedacht.

Aber: es gibt zu diesem Bild noch eine Mindermeinung. Das Bild, sagt die, zeige tatsächlich Bob Dylan selbst. Er habe sich eine Perücke aufgesetzt sich auf die Unterlippe gebissen, mehr sei nicht notwendig gewesen. Er ist eben ein echter Proteus. Und so schön wie Claudia Cardinale.

 

 

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