W E I S T Ü M E R
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W E I S T Ü M E R

Diagnostiker und Diagnostizierte

 

In Zwischenzeiten, geographisch gesehen wird es wohl Oberfranken gewesen sein.

 

Mein Bruder Rudolf M. litt unter einer Psychose. Wie damals üblich schob man es anfänglich auf Drogenmißbrauch, deswegen kreiselte er zuerst zwischen verschiedenen Institutionen hin und her. Als er dann schließlich in der gewöhnlichen Psychiatrie landete – die, das muß hier angemerkt werden, besser ist als ihr Ruf – einigte er sich darauf er litte unter Vampirismus. Unter dieser – na ja – Krankheit leidet er – mehr oder weniger – noch heute.

So wurde er dem Chefarzt der Klinik vorgeführt, einem jovialen Mann der ihn freundlich fragte worunter er denn leide. Rudolf antwortete – deutlich, mit klaren Worten – er leide unter Vampirismus. Ein freundliches Lächeln stahl sich ins Antlitz des Psychiaters (er war sich seines Patienten bereits sicher), er wandte sich zur Seite – er saß hinter, mein Bruder vor dem Schreibtisch – und wies mit einer grandiosen Geste auf die unendlichen Regalmeter Fachliteratur hin, die vom Regal ernst auf das ungleiche Paar herabblickten.

"Sehen sie" sagte er zu Rudolf, " sehen Sie diese Fachbücher, die so ungefähr das gesamte Fachwissen unseres Berufes enthalten, in keinem wird eine Krankheit namens Vampirismus erwähnt!"

Worauf mein Bruder ohne Zögern antwortete:

 

"Aber wenn ich darunter leide?"

 

Später, eine andere Psychiatrie. Mein Bruder kommt nach Hause und schimpft wie ein Rohrspatz. Auf Befragen warum er so empört sei, teilt er uns mit, die Ärzte hätten gesagt sie wollten ihm seine Angst nehmen. Seine Angst, wie die dazu kämen, ihm, seine Angst wegnehmen zu wollen, blödes, unverschämtes Pack.

 

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