W E I S T Ü M E R
W E I S T Ü M E R
W E I S T Ü M E R

Die zwei Pistolen

 

Mein Jugendfreund – Frank Suffa-Friedel – erzählte mir vor langer Zeit folgende kleine Begebenheit, die mir geblieben ist, als ein sich nicht abnutzendes Gleichnis. Nicht abnutzend deshalb weil ich immer noch nicht ermessen kann wofür es stehen könnte.

Frank lebte als Knabe in Untersteinach, das ist eine Ansammlung von Gebäuden eine Bahnstation von Kulmbach entfernt. Die der Volksschule entwachsenen Jugendlichen pendelten von dort mit dem Regionalzug zu den weiterführenden Schulen nach Kulmbach.

 

Einschub 1: Da gab es einen Knaben der sich als Bad-Boy versuchte: Heinz Traglauer. Er hatte die Schule verlassen, eine Lehre begonnen, mußte mit dem Zug nach Kulmbach zur Berufsschule fahren. Später hat er sich über den zweiten Bildungsweg allerdings noch zu einem nützlichen Glied der menschlichen Gesellschaft weitergebildet in Form eines Architekten. Die Lehre, der er sich unterzog befähigte ihn eine Schreckschußpistolen so zu bearbeiten daß man mit ihr nicht mehr nur schrecken, nein, auch schießen konnte.

Heinz T. führte dieses Gerät anläßlich einer Fahrt nach Kulmbach in der Hosentasche mit sich und verwendete es als anscheinend als Handschmeichler. Gewissermaßen eine  Abwandlung der guten, alten Unsitte des Taschenbillard-Spielens.

Und dann – erzählte Frank – habe es einen dumpfen, ziemlich unauffälligen Knall, mehr ein Puffen gegeben, Heinz T. sei erbleicht, und bei einer Kontrolle auf der Bahnhofstoilette stellte sich heraus daß die Hosentasche ein versengtes Loch aufwies und der Oberschenkel verbranntes blau verfärbtes Fleisch zu einer ordentlichen Schwellung aufgeworfen, gekrönt von einem Loch und das Projektil steckte im Muskel.

Aber das ist natürlich kein Gleichnis. Aber es ist eine Art Anlauf zu dem nicht überlieferten Teil der Geschichte, nämlich den welche Geschichte Heinz T. den Ärzten erzählte. .

 

Adam Korinek eine andere junge Person aus Untersteinach, der wenn ich dem Jahresbericht des Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnsiums Kulmbach (eigentlich Bubenoberschule) aus dem Schuljahr 1969/70 trauen darf in meiner Parallelklasse zum Abitur geführt wurde, ist meines Wissens niemals durch etwas hervorgetreten. Weder im Guten noch im Schlechten, es gibt nichts zu berichten außer-

 

Einschub 2: Adam ist ein Vorname der damals bereits unüblich war, und den man eher in der Gegend der vorletzten Jahrhundertwende vermutet Derzeit nimmt er Platz 5573 in der aktuellen Geburtenstatistik ein (was das immer auch heißen mag). In meiner Kindheit gab es jedoch folgenden kleinen Reim:

Adam – zwick die Baa zam – loß an Forz naus – is die Welt aus

[Adam – kneife die Beine zusammen – entlasse einen Flatus – ist das Ende der Welt]


Immerhin, kein Gleichnis, aber eine seltsame Tiefe läßt sich nicht abstreiten.

Einmal ist Adam Korinek aber in Erscheinung getreten. In dieser Zeit zwischen Kindheit und Jugend verbreitete er, er besäße zwei Pistolen. Und diese Information verbreitete sich derartig intensiv unter den Kindern und der Jugend Untersteinachs daß es unabwendbar wurde die Existenz dieser Waffen aus dem Mythischen ins Wirkliche zu transferieren.

Adam lud daher die zu Überzeugenden ein sich an einem festgelegten Termin vor dem Ein-Familien-Haus der Korineks zu versammeln.

Das Fernsehprogramm damals war auf ein Schwarz-Weiß-Programm beschränkt, deshalb wurden andere Vergnügungen jeglicher Art als Ersatz gerne wahrgenommen.

Zum vorgesehenen Zeitpunkt erschien Adam am Kellerfenster und wies der Versammlung eine Pistole. Was sofort zur Forderung führte nun solle die zweite Pistole vorgeführt werden. Adam verschwand kurz und zeigt eine andere(?) Pistole. Die Zuschauer stutzten.

Mißtrauen bei den Zuschauern: Adam solle nun beide Pistolen zeigen. Eilfertig zeigte nun Adam immer wieder eine Pistole vor, verschwand kurz um darauf eine andere (?) zu zeigen. Diese Pistolen(?) wies er in verschiedenen Ansichten vor, unter der Angabe es sei jetzt die andere.

Versteht sich daß das/die Gerät(e) auch nicht zum Anfassen an das ungläubige Publikum heraus gereicht wurden.

Wie das ganze ausging hat Frank nicht überliefert. Und wofür dieses Gleichnis steht, wer vermag es zu sagen, aber beim Niederschreiben jetzt meine ich ein fernes Echo zu verspüren, nämlich das von der Speisung der 5000.

Das Niederschreiben dieses bescheidenen Gleichnisses hat überraschend etwas ausgelöst in mir. Ich mußte und muß häufig an diese kleine Begebenheit denken und anläßlich der monotonen Linearität einer Bahnfahrt ausgelöst drang eine Erinnerung zur Oberfläche durch:

Mein an anderen Stellen erwähnter Bruder absolvierte eine langjährige Tournee durch psychiatriebezogenen Einrichtungen in Nordostoberfranken. Da seine Krankheit – Vampirismus – seine Intelligenz nicht beeinflußte und er auch bedingt kooperativ war erreichte er stets eine besondere Position in diesen Einrichtungen. Er galt als ansprechbar und pflegeleicht.

So war er auch für einige Jahre in einer beschützten Werkstatt in Hof engagiert, wo er schnell zum Ansprechpartner und Trostspender des Verantwortlichen für Holzarbeiten avancierte.

Mein Bruder erzählte gerne von den Fraktionen der zu Beschützenden die untereinander spinnefeind waren. Es gab die Physischen, deren Speerspitze, die Rollstuhlfahrer, aggressiv Sonderrechte für sich einforderten und rüpelhaft mit ihren Rollstühlen weniger Beschädigte niederwalzten, wenn diese sich in den Weg stellten. Sie schafften es dann auch durch aggressiven Lobbyismus sich eine eigene beschützte Werkstatt zu erstreiten.

Die Psychischen wiederum waren geteilt in die die schon immer psychisch gewesen waren – also organisch intelligenzgemindert und die Spätberufenen die den Werkstätten aus der Psychiatrie zuwuchsen. Wie sich das mit den seelisch Behinderten verhielt von denen mein Bruder manchmal erzählte, wo diese sich einsortierten, läßt sich heute nicht mehr klären. Auf alle Fälle war in diesem Bereich der Zuwachs aus der Psychiatrie der der meinte ihm stünden mehr Rechte zu.

Ganz unten auf dieser Stufenleiter standen die völlig Hilflosen, solche die unfähig waren sich zu artikulieren, die von allen untergebuttert werden konnten, die sammelte man in Fördergruppen.

Ein Gutteil des Tags in den beschützten Werkstätten wurde zum Intrigieren gegeneinander verwendet, Hauptaufgabe der Aufsicht bestand darin gegen diese Intrigen vorzugehen.

Die Kultur dieser Einrichtungen war hauptsächlich geprägt durch den Austausch von Witzen.   Witze zu jedem Thema, Witze jeglicher Qualität. Sie halfen die schwierigen Tage zu überstehen. Mein Bruder der jedes Wochenende zu Hause verbrachte hielt uns gerne auf dem aktuellen Stand. Und anläßlich der weiter oben erwähnten Bahnfahrt erinnerte ich einen, der mich an die zwei Pistolen erinnerte.

Der Hosenteil der bayrischen Nationaltracht weist nicht einen sondern zwei Hosenschlitze auf. Einer rechts, einer links, anscheinend so gemeint daß bei Benutzung beide geöffnet werden und ein Teil des Beinkleids abgeklappt werden kann um so das Geschäft der Urinabgabe zu erleichtern.

Da kommt eine Touristin aus Berlin nach Bayern und trifft dort auf ein bayrisches Mannsbild was mit einer solchen Hose ausgestattet ist. Sie fragt nach dem Sinn einer solche Einrichtung und erfährt der Grund bestünde darin daß er – der Träger des Beinkleides - mit zwei Penissen (fachsprachlich auch Penes) ausgestattet sei. Aus Gründen die im Witz nicht mitgeteilt werden erweckt das die Lust in der Touristen und es kommt zum Beischlaf zu welchem Zwecke der Einheimische den rechten Hosenschlitz öffnet, den Penis hervorholt, worauf der Geschlechtsverkehr durchgeführt wird. Nach diesem wird der Penis wieder eingepackt. Nun fordert die Berlinerin er möge nun den zweiten Penis vorführen. Der Einheimische öffnet jetzt den linken Hosenschlitz, holt einen Penis hervor der sich beim Anfühlen – durch die Touristin – als feucht erweist. Auf ihre diesbezügliche Frage erhält sie zur Antwort dieser Penis habe geweint weil er vorhin nicht 'dran' gewesen sei.

Wir lernen von diesem Gruß aus den Randbezirken des Landes Psychiatristan: zweierlei muß zusammenkommen: die geschickte Präsentation und zum Glauben bereites Publikum.

 

Lokale Scherzgeschichten

Druckversion | Sitemap
© HeinzMünch/µ